Der Seehundbestand im Niedersächsischen Wattenmeer ist weiterhin auf hohem Niveau stabil: Insgesamt 8.557 Tiere sind in diesem Sommer während der zehn Flüge im Wattengebiet zwischen Ems und Elbe gezählt worden.
Der Nachwuchsbestand mit 2.019 Tieren bleibt auch nahezu konstant (2023: 2.195). Das sind insgesamt knapp 350 Seehunde weniger als in 2023 (8.912). Die Differenz resultiert daraus, dass die Hundsplate (Emsfahrwasser) in diesem Jahr aufgrund einer Militärübung nicht angeflogen und der Bestand nicht erfasst werden konnte. Auf dieser Plate tummeln sich in der Regel im Sommer etwa 300 Seehunde mit ihrem Nachwuchs. Das ist das Ergebnis des diesjährigen Seehundmonitorings des Niedersächsischen Landesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES).
Die Seehunde machen einen guten und mobilen Eindruck. Die Untersuchungen im Lebensmittel- und Veterinärinstitut (LVI) Oldenburg des LAVES haben gezeigt, dass es keine Hinweise auf mögliche Viruserkrankungen, wie beispielsweise Seehundstaupe oder Vogelgrippe (Influenza H5N1), gibt. Seehunde, die tot an der Küste angespült werden, sichtbar erkrankt sind und eingeschläfert werden müssen, werden im LAVES untersucht. „Meeressäuger sind Spitzenprädatoren und damit ein wichtiger Bioindikator für den einzigartigen Lebensraum Wattenmeer“, so Prof. Dr. Eberhard Haunhorst, Präsident des LAVES. Anzahl und Gesundheitszustand lassen Rückschlüsse auf Wasserqualität und Fischbestand zu – und damit auch auf das empfindliche Lebensmittel Fisch.
Meeressäuger leiden häufig an Infektionskrankheiten und werden auch deshalb intensiv beobachtet. Im LVI Oldenburg wurden im Zeitraum von 2023 bis heute 85 Tiere (Seehunde, Kegelrobben und Schweinswale) untersucht. Die Pathologen im LAVES haben bei den Tieren einen starken Parasitenbefall festgestellt. Insbesondere in der Lunge und auch im Darm werden regelmäßig verschiedene Parasitenarten nachgewiesen. „Dies ist bei Wildtieren zunächst nichts Ungewöhnliches, muss aber weiter beobachtet werden. Eine mögliche Ursache könnte die Beeinträchtigung der Immunsysteme der Tiere durch Umwelteinflüsse sein“, erläutert Haunhorst. Jährlich stranden durchschnittlich etwa 160 Seehunde an der niedersächsischen Küste.
Das LAVES beabsichtigt, in Zusammenarbeit mit der Nationalparkverwaltung die Untersuchungen der Meeressäuger weiter auszuweiten, um noch mehr über den Gesundheitszustand des Wattenmeeres zu erfahren.
Rückblick: 1988 und 2002 zog die Seuche „Seehundstaupe“ durch die Population. 1988: Der geringe Seehundbestand an der Niedersächsischen Küste von knapp 2.500 Tieren reduzierte sich auf 1.400.
2002: 3.851 Seehunde wurden tot aufgefunden – der Bestand von rund 6.500 Tieren reduzierte sich um weit mehr als die Hälfte. Im jeweiligen Folgejahr wurden lediglich 229 (1989) beziehungsweise 799 Jungtiere (2003) gezählt.
Insgesamt zehn Flüge an fünf Terminen: Die beste Zeit für die Zählung ist bei Niedrigwasser von Juni bis August. In den Sommermonaten kommen die Seehunde vermehrt an Land, um ihre Jungen aufzuziehen, um sich zu sonnen und um ihr Fell zu wechseln. Die Tiere ruhen auf den Sandbänken und können vom Flugzeug aus gezählt werden.
In Niedersachsen starteten die Propellermaschinen gleichzeitig ab Norddeich und Mariensiel. Es ging los am 11. Juni, die letzten Flüge starteten am 13. August. An den Zählungen waren auch in diesem Jahr niedersächsische Jäger ehrenamtlich beteiligt, die von Wissenschaftlern des LAVES begleitet wurden. Sie verschafften sich auch einen Gesamteindruck über den Gesundheitszustand der Meeresbewohner.
Das Wetter war für die Zählflüge weitgehend optimal: blauer Himmel, viel Sonne, wenig stürmische Winde. Seehunde mögen es sonnig und ruhig, dann kommen sie an Land. Sensibel reagieren sie auf Wetteränderungen und auf Störungen durch den Menschen, dann ziehen sie sich ins offene Meer zurück.
Das jährliche Seehundmonitoring wird vom LAVES seit 2005 für Niedersachsen organisiert und koordiniert. Schon seit 1958 wird der Seehundbestand in Niedersachsen systematisch erfasst: Bis 1972 wurde von Schiffen aus gezählt und seither aus der Luft aus Flugzeugen. Grundlage für die Zählung ist seit 1990 das Internationale Seehundschutzabkommen zwischen Deutschland (Niedersachsen und Schleswig-Holstein), Dänemark und den Niederlanden. Gemeinsames Ziel ist die Erhaltung eines dem Ökosystem angepassten vitalen Seehundbestandes. Im Rahmen dieses Abkommens starten die Zählungen dieser Länder zeitgleich, um Doppelzählungen der sehr mobilen Seehunde zu vermeiden.
Die Trilaterale Seehundexpertengruppe führt im Herbst alle Ergebnisse aus den Ländern zusammen und bewertet die Daten für den gesamten Seehundbestand im UNESCO Weltnaturerbe Wattenmeer zwischen Den Helder, Emden, Husum und Esbjerg. Das LAVES vertritt Niedersachsen in dieser internationalen Expertengruppe.
Weitere Informationen, Statistiken (Entwicklung Seehundbestand seit 1958, Zahlen, Daten, Fakten – Seehundzählung in Niedersachsen) und Fotos findet man unter www.laves.niedersachsen.de.