Bevor das Boot im Frühling wieder schwimmt, wurde ein neues Antifouling aufgetragen, die Maschine gewartet, die Elektronik aufgerüstet und der alte Kühlschrank durch einen leistungsfähigeren ersetzt. Die Schale ist poliert, ein neues Segel-Outfit beim Versand bestellt und die Batteriekapazität, wie die letzten Jahre schon, verdoppelt. An das Rigg denkt man zuletzt.
Der Mast wurde im selben Zustand gestellt, wie er im Herbst gelegt wurde. Da hier von einem Segelboot die Rede ist, scheint es nicht völlig abwegig, diesem zentralen Gebilde etwas mehr Beachtung zu schenken. Wenn nur ein Bruchteil der Aufmerksamkeit, wie sie oft dem Hilfsantrieb zuteil wird, der Hauptantriebsquelle zugute kommen würde, gäbe es damit sicherlich nie Probleme.
Der Ursprung dieser stiefmütterlichen Behandlung liegt darin, dass so ein Rigg, im Gegensatz zum Motor, seinen Job auch unter widrigen Bedingungen meist problemlos und unscheinbar erledigt. Tritt dann jedoch, nach jahrelanger Schwerstarbeit, ein Schaden auf, kann dieser fatale Folgen haben, denn dieses Ereignis wird sicher nicht an einem windstillen und sonnigen Sonntagnachmittag stattfinden.
Kontrolle vor dem Maststellen - Was gibt es also am Rigg zu beachten?
Als erstes das Mastprofil selbst. Jede Beule markiert eine potenzielle Bruchstelle. Dann muss der Bereich um die Wantenaufhängungen untersucht werden. Strahlenförmige, helle Beschädigungen im Eloxal besagen, dass das Rohr hier überlastet wurde. Dies kann vielerlei Ursachen haben. Die günstigste Erklärung ist die, dass das ein einmaliges Ereignis war, beispielsweise durch brachiale Wantenspannung. Die beliebte Methode, den Mast während des Segelns durch Anziehen der jeweiligen Leewanten zu trimmen, ist ohne weiteres dazu geeignet, bleibende Schäden am Rigg oder auch am Rumpf zu verursachen.
Kontrolle der Beschläge
Andere hoch belastete Stellen sind der Lümmelbeschlag und die Befestigungen des Baumniederholers. Sollten diese Beschläge locker sein, ist das ein Zeichen dafür, dass sich die Nieten durch das Bohrloch ziehen. Nieten rausbohren und neu nieten bringt meist nur kurzfristigen Erfolg. Die Befestigung ist meist von vornherein zu schwach dimensioniert. Stärkere oder eine größere Zahl an Nieten schwächen wiederum das Profil. Daher sollte diese Methode unterbleiben. Eine gute Lösung ist es, die punktuelle Krafteinleitung der Nieten durch eine flächige Epoxi-Verklebung zu entlasten. Bei Booten, die längere Zeit im Salzwasser lagen, sollten, unter großflächigen Edelstahlbeschlägen, die Aluspieren auf Korrosion untersucht werden. Auch hier kann eine zusätzliche Verklebung deutlich zur Festigkeit beitragen.
Die Mastplatten, in die die Terminals der Verstagung eingehängt werden, sind ebenfalls kritische Stellen. Neben der vorher beschriebenen Überlastung des Rohrs, kann man auch hier oft beobachten, dass sich Nieten lockern. Dies führt dazu, dass das kreisförmige, ausgewölbte Teil des Beschlages, das normalerweise in der Bohrung des Aluprofils sitzt und dort die Kraft einleitet, nach innen rutscht. Jetzt wird die vertikale Komponente der Wantenspannung nur noch durch zwei bis drei Blindnieten gehalten, was früher oder später zum Versagen der Verbindung führen wird. Auch hier wird eine Verklebung deutliche Festigkeitsvorteile bringen.
Montage des Terminals
Sehr wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, dass das Terminal sich in seiner Befestigung bewegen kann. Es muss, trotz veränderlicher Eintrittswinkel und Schwingungen, exakt mit dem Draht fluchten. Tut es dies nicht, wird dieser über kurz oder lang an der Eintrittstelle in das Terminal brechen. Es kommt auch vor, dass das Terminal beim Maststellen in seiner Befestigung verkantet und sich dadurch verbiegt. In diesem Fall können einerseits hohe Punktlasten auf das Profil einwirken und andererseits der Draht abgeknickt werden.
Ein zurückgebogenes Terminal besitzt auf alle Fälle nicht mehr seine ursprüngliche Festigkeit und muss ausgetauscht werden. Da hierbei die Want gekürzt wird, sollte diese dann gleich neu angefertigt werden. Zumindest bei einem Regattaboot ist das gesamte Wantenpaar fällig, weil ein gebrauchtes Drahtseil ein anderes Elastizitätsverhalten als ein neues hat. Der Fahrtensegler kann sich jetzt entscheiden, ob er den oder die neuen Drähte pressen lässt oder mit Schraubterminals bestückt.
Schraub- oder Walzterminals
Letztere können selbst und mit Bordmitteln montiert, ausgetauscht und wieder verwendet werden. Lediglich ein billiger Konus oder eine Spannzange muss dann ersetzt werden. Auf dem Markt gibt es zwei verschiedene Systeme. Die Norseman-Terminals funktionieren mit einem Innenkonus, während das System von Blue Wave mit einer Spannzange bestückt ist. Das letztere System ist universeller, weil die Spannzange nicht nur für Standarddraht passt, sondern auch für Dyform und Rod zu verwenden ist.
Bei Norseman sind spezielle Konen für Dyform erhältlich. Bei einem Rodrigg lässt sich dieses System allerdings nicht anwenden.
Weiterhin sind Gewindeterminals von Blue Wave mit metrischen Gewinden bestückt, während sich Norseman auf Zollmaße beschränkt. Dies muss vor dem Kauf berücksichtigt werden, da sonst das Terminal nicht zum Wantenspanner passt. Der Regattasegler wird bei diesem Thema aufgrund des höheren Gewichts und des Windwiderstandes die Nase rümpfen und seine neuen Wanten walzen lassen. Der Fahrtensegler sollte sie sich genauer anschauen, macht er sich mit einem Sortiment Schraubterminals im Notfall doch unabhängig.
Draht, Dyform oder Rod
Vielleicht verwendet dieser Segler auch kein Drahtseil der gängigen Konstruktion 1u19, sondern je nach Stärke Dyform 1u19 oder Dyform 1u7. Wenn er absoluten Wert auf höchste Leistung legt, nennt er ein Rodrigg sein Eigen. Hier besteht das stehende Gut aus massiven Stäben, eventuell mit strömungsgünstigem Profil. Dies ist derzeit das Nonplusultra, was minimalen Reck, minimalen Strömungswiderstand und Gewicht anbelangt. Allerdings sollte man sich vorher überlegen, ob die Püttings diese ungefilterten dynamischen Spannungsspitzen überhaupt verarbeiten können. Diese Technologie wird ebenfalls für die Katz sein, wenn sich der Rumpf in den Böen wie eine Banane durchbiegt. Dyform liegt, sowohl bei der Bruchlast wie auch beim Reck, zwischen diesen beiden Extremen.
Wantenspanner
Auf der anderen Seite des Drahtes befindet sich ebenfalls ein Terminal, an dem der Wantenspanner befestigt ist. Wenn dieser nicht regelmäßig gereinigt und geschmiert wird oder unter zu hoher Last verstellt wird, kommt es vor, dass das Gewinde frisst. Dann heißt es ebenfalls austauschen. Wie so oft hat auch hier der geplagte Segler die Wahl zwischen teuer und noch teurer. Oft entpuppt sich eine Anschaffung aus der Kategorie „teuer“ nach kurzer Zeit als zu der anderen Fraktion gehörig. Also sollte man sich vor der Investition mit der Thematik gründlich auseinandersetzen oder einem Händler vertrauen, der wirklich Ahnung hat von dem, was er verkauft. Zunächst einmal gibt es hier verschiedene technische Ausführungen.
Wantenhänger als Lochbleche
Auf Jollen werden Lochbleche benutzt, mit denen man die Wanten auf verschiedene Längen voreinstellen kann. Diese werden indirekt über das Fockfall oder, bei Einhandjollen wie dem Contender, durch das Vorstag gespannt. Das Raster ist bei normalen Lochblechen mit acht bis zehn Millimeter relativ grob. RWO bietet ein einfaches System an, bei dem Schritte von zwei Millimetern möglich sind.
Taljen
Auf Jollen und kleinen Kielbooten mit gepfeilten Salingen, beispielsweise dem FD, 505er oder bei einem Jollenkreuzer werden die Wanten während des Segelns oft verstellt. Dies wird durch kräftige Taljen unter Deck realisiert. Die früher gebräuchlichen Taljenkästen werden in der Praxis nicht mehr verwendet.
Einfache Wantenspanner
Bei Booten mit geraden Salingen (Toppriggs oder Riggs mit verkleinertem Vorsegeldreieck und Backstagen) bleibt die Wantenspannung bei allen Windverhältnissen gleich, da diese den Mast nur seitlich halten und keinen Einfluss auf Vorliekdurchhang und Mastkurve haben. Hier genügen Wantenspanner in Standard-ausführung. Dabei wird unterschieden zwischen der offenen und der geschlossenen Ausführung. Die offenen Spanner haben eindeutige Vorteile. Sie sind etwas komfortabler zu handhaben, da gesehen wird, wenn das Gewinde am Ende der Mutter angelangt ist. Weiterhin wird diese Ausführung oft mit Bronzekörper angeboten. Dies reduziert die Gefahr, dass sich das Gewinde unter Last festfrisst. Durch die zuverlässige Art der Sicherung neigen diese nicht zum selbsttätigen Lösen.
Die geschlossene Ausführung wird meist nur aus Edelstahl angefertigt. Hier ist die Gefahr, dass das Gewinde frisst, höher, als bei Bronze. Beim Aufdrehen des Spanners kann nicht kontrolliert werden, wann das Gewinde zu Ende ist. Die Sicherung mit Kontermuttern ist nicht absolut zuverlässig.
Verstellbare Ausführung
Bei Booten mit zurückgesetzten Püttings und gepfeilten Salingen hängt der gesamte Trimm vom exakten Spannungsverhältnis zwischen Ober- und Unterwanten ab. Mastkurve und Vorstagdurchhang muss den ständig wechselnden Verhältnissen angeglichen werden. Hier sind Ausführungen zu empfehlen, die auch auf dem Wasser zu verstellen sind. Die Firma Top-Reff bietet hier eine interessante Lösung. Auf einen Zentralspannner wird ein Hebel montiert, der, wenn er ausgeklappt wird, zum werkzeuglosen Verstellen des Spanners dient. In eingeklapptem Zustand sorgt dieser für eine zuverlässige Sicherung. Allerdings funktioniert das System nur, wenn nicht mehrere Wanten gemeinsam auf einem Pütting montiert sind, da die Hebel einen gewissen Drehkreis brauchen.
Der Sealoc-Spanner von Ronstan geht in die gleiche Kategorie. Allerdings hat dieser einen relativ bescheidenen Verstellweg. Bei einem hohen und flexiblen Rigg, wo noch der Reck des Drahtes überbrückt werden muss, ist man damit, je nach Riggtyp, bald am Ende der Trimmmöglichkeiten angelangt. Durch die Verwendung von Dyform-Wantendraht reduziert sich dieser Reck. Unter Umständen erscheint die angebrachte Verstellskala hilfreich. Gerade bei Regattabooten, deren Mast oft gelegt wird, ist dadurch schnell die Grundeinstellung zu finden. Als sinnvolle Ergänzung ist ein Kurbelsatz lieferbar, mit dessen Hilfe sich das Want leicht verstellen lässt.
Toggles ein Muss
Generell muss ein Wantenspanner, egal welcher Ausführung, mit einem Toggle auf dem Pütting montiert werden. Dies befreit das ganze System von eventuell auftretenden Biegemomenten und beugt daraus resultierenden Schäden vor.
Sicher ist sicher
Die bei den billigen geschlossenen Ausführungen üblichen Kontermuttern sind nicht absolut sicher. Eine zusätzlich angebrachte Schraubensicherung, etwa von Loctite, beruhigt die Nerven deutlich. Die etwas teureren, offenen Wantenspanner sind besser zu handhaben und besser zu sichern. Die schwedische Firma Sure bietet sogenannte Sure-Clips an. Dies sind Sicherungsbolzen, die durch eine Bohrung in der Gewindestange ragen und mit einem Federclip auf dem Körper gehalten werden. Die „De-Luxe-Spanner“ von Ronstan, Navtec und Gotthardt haben eigene, zuverlässige Sicherungssysteme.
Wantenspannerhülsen
Um die Wantenspanner zu verdecken, gibt es mehrere Möglichkeiten. Diese richten sich nach dem angestrebten Nutzen dieser Maßnahme. Um Schoten, Segel und Schienbeine vor Abrieb zu schützen, genügen die preisgünstigeren Ausführungen aus weichem Kunststoff. Nachteilig dabei ist, dass die Genuaschot, sofern diese darüber hinwegläuft, dies nur mit hohen Reibungsverlusten tut. Den Fahrtensegler wird der hohe Kraftaufwand bei einer Wende stören und der Regattasegler wird das Zeug verfluchen. Beide werden sich darüber einig sein, dass die Hülse zu schnell von der Schot durchgescheuert wurde. Billiger sind hier die etwas teureren Aluminiumausführungen. Sehr ökonomische und gute Ergebnisse, speziell um Reibung zu vermindern, wurden von verschiedenen Tüftlern auch mit HT-Rohr vom Sanitärfachhandel erzielt.
Bolzen und Splinte
Ein Wantenspanner wird mit einem Bolzen und einem Splint auf dem Pütting befestigt. Die ab und zu anzutreffende Gewindeschraube, die als Ersatz für den Bolzen dienen soll, wenn dieser nicht zu finden ist, stellt eine denkbar schlechte Alternative dar. Hier trägt nur der Kerndurchmesser der Schraube. Dieser Bolzenersatz ist durch das Gewinde mit vielen Kerben versehen, die die Festigkeit weiter verringern und überdies durch Punktbelastungen das Pütting oder den Toggle beschädigen. Auch ist der Werkstoff und dessen Festigkeitswerte selten bekannt. Das Beste ist, man hat immer ein Sortiment Bolzen an Bord. Hier gilt als Standardmaterial Aisi 316, bzw. Stahl mit der Werkstoffnummer 1.4401.
Ob dieser mit einem Splint oder einem Splintring gesichert wird, hängt vom jeweiligen Einsatz ab. Splinte lassen sich nur mit Werkzeug lösen und anbringen. Sie sind irgendwann hoffnungslos verbogen oder gebrochen und müssen ausgetauscht werden. Weiterhin stellen sie ein gewisses Verletzungsrisiko dar. Also grundsätzlich Ringe? Nein! Ein Splintring kann sich an einer Leine verfangen und von dieser herausgezogen werden. Wenn das nicht sofort bemerkt wird, kann dies das Rigg kosten. Egal, ob Splint oder Ring, sie sollten auf alle Fälle mit Tape gesichert werden, dann relativieren sich die einzelnen Vor- und Nachteile.