Das Zusammenspiel von Ebbe und Flut sorgt seit Jahrtausenden für das Bestehen der Wattflächen in der Nordsee. Ausschlaggebend ist der Transport von Sedimenten im Meerwasser. Dr. Götz Flöser vom Institut für Küstenforschung des Helmholtz-Zentrums Geesthacht und Prof. Hans Burchard vom Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde untersuchen, welche Prozesse den Schwebstofftransport steuern und warum das Watt seit Jahrtausenden Bestand hat.
Auf einer Messkampagne vom 09. bis 20. Mai vor Spiekeroog nehmen die beiden Küstenforscher und ihr Forscherteam neue Daten auf, um das Bild über die steuernden Prozesse im Wattenmeer zu vervollständigen.
Ein Blick auf die Nordsee im Satellitenbild zeigt: das Wasser im Wattenmeer ist trübe, das Wasser des offenen Meeres ist klar. Getrübt wird das Wattenmeer durch Sedimente, also Bodenpartikel und organische Teilchen wie z.B. abgestorbene Algen. Warum mischt sich das Wattenmeer nicht mit der offenen See? Es gibt Prozesse, die dem Abströmen der Schwebstoffe aus dem Watt ins offene Meer entgegenwirken. Dr. Götz Flöser vom Institut für Küstenforschung des Helmholtz-Zentrums Geesthacht und Prof. Hans Burchard vom Leibniz-Institut für Ostseeforschung in Warnemünde sind sich sicher: das Geheimnis liegt im Unterschied zwischen Ebb- und Flutstrom. Der Flutstrom transportiert mehr Schwebstoffe in das Wattenmeer als der Ebbstrom wieder hinausbringt. Seit 2006 untersuchen die beiden Küstenforscher dieses Phänomen. Die bisherigen Messungen vor der Nordseeinsel Sylt festigen ihre These.
Wattenmeere entstehen in gemäßigten Breiten überall dort, wo das Meer sanft abfallende Flächen im Rhythmus der Gezeiten überflutet. Das flache Wasser des Wattenmeeres unterscheidet sich vom offenen Meer durch einen geringeren Salzgehalt, der durch Regen und Zuflüsse verursacht wird. Außerdem ist das Wattenmeerwasser im Sommer wärmer und im Winter kälter als das Nordseewasser. Das salzärmere Wasser der Wattflächen hat eine geringere Dichte als das Wasser der Nordsee und ist somit leichter. Dr. Götz Flöser und Prof. Hans Burchard haben den Einfluss dieses Dichteunterschiedes auf den Ebb- und Flutstrom und den Schwebstofftransport zwischen Wattenmeer und offener See untersucht.
Mit dem Ebbstrom schiebt sich das leichtere Wasser der Watten über das Wasser der offenen See. Es entsteht eine Schichtung des Wassers. Setzt der Flutstrom ein, geschieht genau das Gegenteil. Mit dem Flutstrom schiebt sich das schwerere Wasser der offenen See über das Wattenmeer. Dann kommt es jedoch nicht zu einer Schichtung, sondern zu einer Durchmischung des Wassers, da das schwerere Wasser nach unten sinkt. Bei Ebbe schichtet sich das Wasser, bei Flut wird es durchmischt. Wegen der Durchmischung und der dadurch wirkenden Kräfte werden Schwebstoffe vom Grund aufgewirbelt und mit dem Flutstrom Richtung Küste transportiert. Dort lagern sie sich ab. Setzt der Ebbstrom ein, strömt wieder nur die obere, leichte Wasserschicht zur offenen See. Die abgelagerten Schwebstoffe bleiben liegen. Computersimulationen bestätigen den Einfluss der Dichteunterschiede auf den Schwebstofftransport. Wird der Dichteunterschied nicht in die Modellen einbezogen, ist keine erhöhte Sedimentablagerung im Watt zu erkennen.
Weitere Messungen sollen das Bild über die Dynamik der Schwebstoffe im Wattenmeer vervollständigen. Ein Team aus 15 Wissenschaftlern vom Institut für Küstenforschung und dem Leibniz-Institut für Ostseeforschung wird vom 09. bis 20. Mai mit dem Forschungsschiff „Ludwig Prandtl“ vor Spiekeroog liegen. Dort werden die Verteilung von Schwebstoffen, der Salzgehalt und die Turbulenzen im Wasser gemessen, um die grundlegenden physikalischen Prozesse des Sedimenthaushaltes im Wattenmeer zu erfassen. Der gesamte Wasserkörper soll so gut wie möglich charakterisiert werden. Die Auswertung der Daten kann außerdem Rückschlüsse auf die Wasserqualität oder Szenarien zu Verschiebungen von Sandbänken und Fahrrinnen zulassen. Für die Küstenbehörden in Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein sind das grundlegende Informationen zur Überwachung des Ökosystems Wattenmeer.