Die Probleme der Ems sind ein Dauerbrenner: Jetzt hat die Staatskanzlei in Hannover wieder einmal ein Machtwort gesprochen. Zusammenfassend kann man sagen, der Bau eines Emskanals wird zurückgestellt, ein Dauerstau beim Sperrwerk soll genauer untersucht werden und den Bau eines Abschlussdeiches zwischen den Niederlanden und der Krummhörn wird es nicht geben.
Dies verkündete die Staatskanzelei auf der Grundlage der Ergebnisse der s.g. “Ems-Lenkungsgruppe”.
Die “Ems-Lenkungsgruppe” hatte sich zuvor in Hannover getroffen. Im Mittelpunkt der Gespräche standen Ansätze zur Lösung der ökologischen und ökonomischen Fragestellungen an der Ems. In der Lenkungsgruppe sind neben der Staatskanzlei die zuständigen Ministerien für Umwelt, Wirtschaft und Landwirtschaft, die Landkreise Emsland und Leer, die Meyer-Werft, die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nordwest und die Umweltverbände BUND, NABU und WWF vertreten.
Technisch wäre ein Emskanal zwar möglich, würde jedoch laut Niedersächsischer Staatskanzlei mindestens 1,1 Milliarden Euro kosten. Daher müssen alle möglichen Alternativen geprüft werden. Allein der Abschnitt zwischen Leer und Papenburg würde nach Angaben der Staatskanzlei 780 Millionen Euro kosten. Sinn ergibt ein Kanal nach Meinung von Verkehrsexperten erst, wenn die Wasserstraße bis nach Dörpen gebaut wird, um einen Anschluss an den Dortmund-Ems-Kanal und damit ans Ruhrgebiet zu haben. Die zahlreichen im Zusammenhang mit dem Emskanal stehenden Fragestellungen sollen nun solange zurückgestellt werden, bis Lösungsalternativen untersucht und bewertet worden sind.
Noch teurer würde der Bau eines Damms in der Dollartmündung werden. Auf drei Milliarden Euro schätzt die Staatskanzlei diese Kosten - und eine Realisierung wäre vor 2035 nicht möglich. Alternativ lässt die Lenkungsgruppe jetzt andere Möglichkeiten prüfen - wie zum Beispiel den Bau einer Sohlschwelle mit einer Schleuse am Sperrwerk. Das würde den Schlickeintrag und damit die Baggerkosten minimieren.
Einen Umzug der Meyer-Werft an die Küste lehnt die Lenkungsgruppe aus wirtschaftlichen Gründen ab. Das sei für die Werft angeblich nicht finanzierbar. Groß ist die Furcht in der Region, Meyer könnte ins Ausland gehen. Die Werft selbst verknüpfte in der Vergangenheit immer wieder die Standortfrage mit einer möglichen Abwanderung. 2600 Arbeitsplätze hängen direkt an den Docks. Hinzu kommen die Jobs bei den Zulieferfirmen.
Ziel soll allerdings bleiben, den ökologischen Zustand der Ems zu verbessern und trotzdem die Überführung der Meyer-Schiffe zu gewährleisten. Dazu rücken jetzt wieder die andere Lösungen in den Blickpunkt. Die laufenden Untersuchungen zu den verschiedenen Lösungsansätzen (Dauerstau, Tidesteuerung durch das Emssperrwerk, Einbau einer Sohlschwelle, Schaffung von Flutraum in den Emsseitenbereichen, Sohlverflachung und Rückverlegung des Tidewehrs Herbrum) sollen nun endlich abgeschlossen werden. Ein hydromorphologisches Gutachten soll dann Auskunft über die unterschiedlichen Wirkungen auf die Wasserstände, die Strömungen, den Salzgehalt und den Sedimenttransport geben und Aussagen über die Änderungen der Gewässergüte der Ems ermöglichen. Auf dieser Grundlage soll dann die beste Lösung gefunden werden. Dieses Gutachten soll im Herbst 2011 in Auftrag gegeben werden. Nach Angaben der Lenkungsgruppe wird diese Studie voraussichtlich einige Hunderttausend Euro kosten.
Aber auch gegen die Alternativen regt sich Widerstand. So gehen die Entwässerungsverbände von einer schwierigeren und deutlich teuereren Entwässerung des Binnenlandes aus, sollte das Sperrwerk z.B. mit einer Sohlschwelle aufgerüstet werden. Hier würden Investitionen in zweistelliger Millionenhöhe fällig, um die Pumpleistungen der Schöpfwerke zu verbessern - weitere Betriebskosten noch nicht einmal eingerechnet. Obersielrichter Heiko Albers schätzte die Kosten gegenüber der Presse auf zehn bis 15 Millionen Euro.
Das Wasser würde durch eine Schwelle zwar langsamer auflaufen, allerdings auch langsamer wieder ablaufen. Dies stellt für die Entwässerungsverbände ein enormes Problem dar. Bei Niedrigwasser läge der Wasserstand des Flusses einen Meter höher als jetzt. Als Folge hiervon könnten die Entwässerungsverbände entlang der Ems nicht mehr oder nur noch eingeschränkt sielen. Stattdessen müsste das Oberwasser aus dem Binnenland in den Fluss gepumpt werden. Die Schöpfwerke seien für einen Dauereinsatz allerdings nicht ausgelegt.
Ob diese Probleme die tausende Schaulustigen, die im März wieder an den Emsdeichen stehen werden, auch beschäftigen wird, ist fraglich. In wenigen Wochen wird der nächste Luxusliner, die Aidasol, mit Millimeterarbeit von Papenburg nach Emden gebracht. Der 252 Meter lange und 32,2 Meter breite Riese hat 7,2 Meter Tiefgang. Damit der Luxusliner nicht auf Grund läuft, muss die Ems wieder über ihre Ufer treten.