Wenig Tiefgang und gute Segelleistungen, vor allem an der Kreuz und bei wenig Wind, schließen sich normalerweise aus. Dies sind aber beides Eigenschaften, die nicht zu verachten sind. Der Trend zu immer größeren Booten an flachen Liegeplätzen ließ die Werften in den letzten Jahren tief in die Trickkiste greifen. Nachdem die früher populären Jollenkreuzer, wegen der vermeintlichen Kentergefahr von vielen Seglern gemieden wurden, schienen die Kielschwerter das Ei des Kolumbus darzustellen.
Die Schwergewichte
Die ersten populären Boote dieses Typs waren die Hansa- und die Niedersachsenjollen. Nach Anbruch des Kunststoffzeitalters waren Dehler´s Varianta oder die Neptun 22 einige der meistgebauten Kielschwertboote. Oft waren solche Konstruktionen jedoch strömungstechnische Katastrophen und, durch den hohen Gewichtsschwerpunkt die reinsten „Bleitransporter“.
In Gezeitenrevieren waren die Kimmkieler recht verbreitet. Beide Konzepte sind heute praktisch vom Markt verschwunden. Zur Zeit bieten viele Werften, neben dem normalen Kiel, auch sogenannte Kurzkielversionen an. Hier muß man in aller Regel Abstriche bei den Segeleigenschaften machen. Ob mit Ballastbombe oder als Flügelkiel-Version, das Bootsgewicht muß deutlich höher als bei der normalen Ausführung liegen. Außerdem haben die kurzen Flossen, zumindest bei geringen Anströmgeschwindigkeiten, einen schlechteren Wirkungsgrad.
Ohne strömungsphysikalische Zugeständnisse segelten, Ende der siebziger Jahre, die sogenannten Centerboarder in der IOR-Szene. Das waren vom Prinzip her Jollenkreuzer mit Innenballast und durchgestecktem Schwert. Ein ähnliches Konzept firmiert heutzutage unter Bezeichnungen wie Integralkieler oder Integralschwerter. Bei großen Booten, beispielsweise der französischen Sonate-Ovni, verschwindet das Schwert komplett unter dem Salontisch. Der Ballast liegt, wie früher bei den Wikingern, in der Bilge.
Die Leichtgewichte
Solch „gewichtige“ Nachteile werden verhindert, wenn eine komplette Kielflosse aufgeholt werden kann. Solche Konstruktionen tauchten zuerst bei trailerbaren Wochenendbooten auf. Damals spielte der niedrige Schwerpunkt auf dem Hänger und die Slipbarkeit allerdings die Hauptrolle. Die Kielboot-Regattaszene fuhr zu der Zeit Sprinta-Sport oder H-Boot und rümpfte die Nase wegen der „besegelten Badeinseln“. Betrachtet man die unförmigen Blechtafeln unter der Wasserlinie, die als Kiel oder Ruder dienten, geschah das sicherlich nicht zu unrecht. Der Spagat zwischen Leistung und Tiefgang ist mit modernen Lösungen allerdings problemlos zu schaffen. In den achtziger Jahren brachte Beneteau die First-Class-Reihe auf den Markt und schaffte mit der First-Class 8 den Durchbruch am Bodensee. Diese Boote sind mit einem Schwenkkiel ausgerüstet.
Der Schwenkkiel
Die französische Großwerft konnte damit viele Vorurteile gegenüber verstellbaren Kielen auf schnell segelnden Regattabooten widerlegen. Ein Schwenkkiel bietet sich besonders für kleine Boote an, da der Kielkasten nicht bis zum Kajütdach reicht und deshalb im Bootsinnern relativ wenig Platz beansprucht. Allerdings sind die Rumpfbelastungen im normalen Betrieb höher als bei einem Hubkiel, dessen Führung bis zum Deck reicht. Die Kräfte werden nur von der Schale und eventuell dem Hauptschott aufgenommen. Dieses Konzept verlangt, ebenso wie bei einem Festkiel, nach stabilen Bodenwrangen. Ein unbestreitbarer Vorteil gegenüber allen anderen Konstruktionen ist jedoch, daß die Flosse bei Grundberührungen einfach nach hinten klappt. Der Kiel selbst ist relativ schwer, weil der Ballast nicht unten in einem Bulb konzentriert werden kann. Außerdem muß, wegen ungünstiger Hebelverhältnisse im aufgeholten Zustand, von der Verstelleinrichtung und dem Kielbolzen ein Vielfaches des Kielgewichtes aufgenommen werden. Das ist bei großen Booten nur mit hohem Hydraulikaufwand zu realisieren.
Für den Designer Georg Nissen aus Laboe z. B. wiegen die Vorteile bei Grundberührungen das etwas höhere Gewicht allerdings auf, so daß er dieses Konzept auf flachen Revieren bevorzugt.
Der Hubkiel
Heute hat sich, in der Masse der Boote, der Hubkiel durchgesetzt. Die Konstruktion ist relativ einfach zu realisieren. Hinzu kommt, daß bei dem Konzept die Rumpfstatik leichter ausfallen kann, weil die Kräfte, durch den langen Hebel des Kielkastens, auch vom Kajütdach aufgenommen werden. Oft übernimmt dieser noch zusätzlich die Funktion der Maststütze. Der Kielkasten wird also zum zentralen statischen Element. Der Hubkiel ermöglicht einen geringen Tiefgang, da nur noch die Ballastbombe unter dem Rumpf herausragt. Auch die Kräfte auf der Verstelleinrichtung sind maximal so hoch wie das Kielgewicht selbst, weil die Flosse direkt nach oben gezogen wird.
Diese Lösung ist leichter als ein Schwenkkiel, weil der Ballast in einem Bulb konzentriert ist. Als Nachteil gilt allerdings, daß der durchgehende Kielkasten bei kleinen Booten nicht ganz einfach in die Einrichtung zu integrieren ist. Ebenso sollte man sich vor harten Unterwasserhindernissen, in acht nehmen. Das relativiert sich aber, weil auch ein Boot mit Festkiel immense Kräfte bei einer Unterwasserkollision verarbeiten muss.
Untergebolzter Hubkiel
Eine andere Variante ist der Teleskopkiel. Dieser bietet sich an, wenn ein Boot umgerüstet werden soll oder partout kein Kielkasten ins Einrichtungskonzept passen will. Gegenüber dem durchgehenden Hubkiel fällt der Gewinn aber eher bescheiden aus, weil der Tiefgang nur um knapp die halbe Kielflossenlänge reduziert werden kann. Die untere Hälfte besteht aus Blei und wird von zwei Führungsstangen gehalten. Dieses Teil kann hydraulisch nach oben gezogen werden und verschwindet im Oberteil, das im Prinzip nur die Führungen und die Hydraulik verkleidet, aber keine Kräfte aufnimmt. Eberhardt Magg von Speedwave erzählt von einer Dehler 36, die mit dem Original-Kiel 1,80 Meter Tiefgang hatte. Mit dem untergebolzten Hubkiel kann der Tiefgang von 1,90 Meter in ausgefahrenem Zustand, auf 1,45 Meter reduziert werden. Die nachträgliche Montage ist einfach zu realisieren, da keine Umbauarbeiten am Rumpf erforderlich sind.
Die Kielform
Eine rechteckige Kielsilhouette birgt den Nachteil, daß über die schmale Kante an der Unterseite eine Ausgleichsströmung zwischen der Druck- und der Saugseite stattfindet. Dieser „Randwirbel“ bewirkt, daß nur ein Teil der zur Verfügung stehenden Fläche Auftrieb produziert. Die „tote Fläche“ und die nachfolgende „Wirbelschleppe“ erzeugen nur bremsenden Widerstand. Dieser läßt sich durch einen halbelliptischen Kielumriß reduzieren. So eine Flosse hat aber unten nicht nur eine geringere Fläche sondern ist auch dünner. Der Hauptteil des Gewichts befindet sich also im oberen Bereich, wo es wenig wirksam ist. Folglich ist es besser, den Ballast unten zu konzentrieren.
Wenn dieser in einem Bulb unter der Kielflosse hängt, ist er optimal platziert. Mit minimalem Gewicht wird so ein maximales aufrichtendes Moment erzeugt. Je länger der Kiel ist, umso leichter kann dieser sein. Daneben reduziert ein Bulb, oder auch ein Flügelkiel, die Entstehung des Randwirbels. Der Widerstand sinkt also merklich und ein größerer Teil der Flosse macht das, was sie soll. Nämlich Auftrieb erzeugen und der Abdrift entgegenwirken. Folglich kann die Kielfläche etwas kleiner gewählt werden. Das reduziert den Widerstand zusätzlich. Wer einmal den Kiel einer Libera oder einer Volvo 60 gesehen hat, fühlte sich vielleicht an Tragflächen von modernen Kampfjets erinnert. Die Physik verhält sich in der Luft nicht viel anders als im Wasser. Nur wächst dort kein Seegras.
Damit sind die Einschränkungen für den Alltagsbetrieb an einem Binnenrevier deutlich. Je Leistungsfähiger das Profil ist, desto leichter kann die Strömung gestört werden. Ballastbomben sammeln Seegras. Dieses kann die wundervollsten Auftriebsberechnungen zunichte machen. Aus diesem Grund ist, zumindest am Bodensee, ein L-Kiel einer T-Form vorzuziehen. Die Melges 24 beispielsweise hat eine Kielflosse mit T-Bulb unter dem Boot hängen. In diesem ist ein Messer eingelassen, das bei Bedarf an der Nasenkante entlang nach oben gezogen werden kann um das Seegras abzuschneiden. Die „Illbruck“ handelte sich beim Volvo Ocean-Race damit übrigens Ärger sein, weil ein solches Messer nicht vermessen wird.
Diese beiden Kielformen unterscheiden sich in ihrer Leistung nur gering. Die T-Form hat raumschots leichte Vorteile, während die L-Form an der Kreuz geringfügig bessere Werte liefert. Allerdings ist ein T-Kiel statisch ausbalanciert, während ein L-Kiel das Gewicht weiter hinten trägt. Das kann zu Verwindungen der Flosse führen. Wenn die L-Form bei einem Hubkiel verwendet wird, besteht die Gefahr, daß sich die Flosse im Kielkasten verkantet, weil diese ein Drehmoment erfährt. Noch etwas ist in diesem Zusammenhang zu beachten. Ein solches Profil braucht Strömung. Bei geringen Geschwindigkeiten sind elliptische Kiele, oder die der Ellipse angenäherte Trapezform, trotz ihres höheren Gewichts oft überlegen.
Aufholmechanik
Wie wird so ein Kiel aufgeholt? Kleine, relativ leichte Hubkiele lassen sich mit Taljen oder einer Winde noch problemlos handhaben. Die Mechanik, und vor allem das Fall, sollte aber regelmäßig inspiziert werden. Bei der geringsten Beschädigung muß dieses ausgetauscht werden. Das Geräusch, wenn ein Kiel mit 500 Kilogramm Gewicht aus einem Meter Höhe in freiem Fall auf den Anschlag des Kielkastens knallt, bereitet wohl jedem Skipper Magenkrämpfe. Eine Lösung ist auch die Verstellung mit einer Gewindespindel. Bei Hubkielen ist das jedoch ziemlich umständlich, da der Weg relativ groß ist und somit minutenlang gekurbelt werden muß. Diese Lösung bietet sich bei kleinen Schwenkkielern wie der First Class an. Hier sind relativ kurze Wege zu überbrücken. Allerdings ist die Last enorm, so daß die Spindel regelmäßig geschmiert und die Bronze-Mutter ausgetauscht werden sollte.
Bei größeren Booten kommt man daher an einem hydraulischen System nicht vorbei. Eine komfortable Sache. Leicht bedienbar und flexibel zu montieren. Große Lasten lassen sich damit einfach handhaben. So ein System ist allerdings nicht ganz billig. Wartungsfrei ist es auch nicht. Die Firma Speedwave empfiehlt bei ihrem Hubkiel alle drei Jahre einen Ausbau und eine Revision des Zylinders. Ob die Pumpe von Hand oder elektrisch betätigt wird, sollte man sich ebenfalls überlegen. Handpumpen benötigen keinen Strom und funktionieren immer, bieten aber nicht den Komfort einer Bedienung per Knopfdruck. Optimal erscheint daher beides. Eine elektrische Pumpe für den Alltagsbetrieb und eine Handpumpe für den Fall, daß die Elektrik mal nicht so will, wie sich der Skipper das vorstellt.
Wohin mit dem Ruder
wenn der Kiel eingezogen wird, stellt das Ruderblatt die tiefste Stelle am Boot dar. Bei einem angehängten Ruder ist das kein Problem. Dieses wird entweder ausgehängt oder in Jollenkreuzer-Manier hochgeklappt. Allerdings gibt es wenig Ausführungen, die wirklich spielfrei funktionieren. Und genau darauf sollte man Wert legen. Eine gute Lösung stellen Anlagen dar, bei denen das Ruderblatt in einer laminierten Hülse steckt, an der die Ruderbeschläge montiert sind. Wenn diese Hülse innen mit einem strapazierfähigen Teppichboden ausgekleidet wird, hat das Blatt keinerlei Spiel und die Kräfte werden großflächig verteilt. Diese Technik stammt aus der Szene der Motten und Skiffs, läßt sich jedoch auch bei kleineren Kielbooten und Jollenkreuzern hervorragend verwenden. Teleskopruder oder Klappruder unter dem Rumpf sind nicht ideal, weil dies unter strömungstechnischen Gesichtspunkten selten befriedigend gelöst werden kann. Doppelruderanlagen, deren einzelne Blätter relativ kurz sind und ein paar Grad zur Seite abstehen, sind dann die bessere Wahl.
Bei Krängung ist ein Blatt immer komplett umströmt und wird nicht, wie ein einzelnes Ruder, teilweise aus dem Wasser gehoben. Auch neigen solche Blätter weniger zum Ventilieren, da sie die Wasseroberfläche nicht durchstoßen. Allerdings setzt das eine saubere Konstruktion und noch eine bessere Ausführung voraus. Wenn die Blätter nicht exakt parallel zur Bootsachse ausgerichtet sind, läßt sich so ein Boot nur mühsam steuern.