Nach monatelanger Verspätung ist es nun soweit: der erste und einzige Tiefwasserhafen Deutschlands ist eröffnet. Die Generalprobe - oder –proben, wie man eigentlich sagen müssten – verliefen bereits erfolgreich.
Nach dem Andocken des Havaristen (wir berichteten) folgte am Montag ein geplanter Probebetrieb mit der Anne Schulte. Der Frachter der Reederei Maersk kam aus St. Petersburg und hat in Wilhelmshaven 553 Container gelöscht. Dabei kamen alle vier Containerbrücken zum Einsatz – allerdings vorsichtshalber nur mit leeren Containern.
Die Anna Schulte hat Wilhelmshaven bereits wieder verlassen und ist in Richtung Mexiko unterwegs. Zur Eröffnung kommt nun die Maersk Laguna. Bei der heutigen offiziellen Einweihung soll symbolisch der erste Container von der Maersk Laguna entladen werden. 1.300 Gäste sind hierzu geladen und der Bundeswirtschaftsminister wie auch der niedersächsische Ministerpräsident werden ihre Grußworte sprechen.
Der Jade-Weser-Port geht mit mehreren Monaten Verspätung in Betrieb. Zuvor hatte es viel Ärger gegeben: von der Bauvergabe, über explodierende Kosten bis hin zu Löchern in der neu gerammten Spundwand und weiteren Bauschäden. 46 Millionen Kubikmeter Sand und Schlick mussten bewegt werden. Der Sand wurde aus der Jade und dem Jadebusen gebaggert und zu einem 130 Hektar großen Containerterminal aufgespült. Es entstanden ein neuer Hafen für Schlepper und Kaianlagen von fast zwei Kilometern Länge, an denen jetzt Riesenpötte mit bis zu 18 Metern Tiefgang anlegen können. Ein 160 Hektar großes Güterverkehrszentrum wurde angelegt und die Autobahn 29 wurde bis direkt an den neuen Hafen verlängert. Acht der weltgrößten Containerbrücken wurden von China nach Wilhelmshaven gebracht, acht weitere folgen noch.
Mehr als tausend Granaten, Bomben und Minen aus dem Zweiten Weltkrieg kamen während des Baus zutage. Baggerfahrer saßen in gepanzerten Kabinen, zusätzlich gesichert durch Schutzwesten und Sprengschutzmatten. Den größten Fund machte Oktober 2009 ein Saugbagger, der auf einen Blindgänger stieß. Die Explosion riss den Schneidkopf ab, aber die dreiköpfige Baggerbesatzung blieb zum Glück unverletzt.
Der Jade-Weser-Port ist der einzige deutsche Tiefwasserhafen. Der Baubeginn war 2008, in der Endstufe soll die Kaimauer 1.725 Meter Länge betragen. Zur Eröffnung sind 1.000 Meter fertiggestellt. Die Wassertiefe beträgt 18 Meter, Schiffe bis 16,5 Meter Tiefgang können anlegen - das heißt, er kann auch von Containerriesen der neuesten Generation angefahren werden. Im nächsten Jahr wird diese neue Generation von Containerschiffen in See stechen, die Triple-E-Klasse. Diese neuen Schiffe sind fast 400 Meter lang und 62 Meter breit und können 18.000 Standard-Container tragen. Geplant ist in Wilhelmshaven eine Umschlagskapazität von 2,7 Millionen Standardcontainern pro Jahr.
Der Hafen war ursprünglich für gute Zeiten geplant, wenn so viele Schiffe nach Deutschland kommen, dass die Häfen in Bremerhaven und Hamburg nicht wissen, wohin damit. Dann sollten die ganz tiefen, breiten, langen Pötte eigentlich nach Wilhelmshaven. Doch nun herrscht überall Flaute. Seit der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise und den folgenden Schocks wie der europäischen Staatsschuldenkrise hat sich das Welthandels- und Containerumschlagswachstum stark abgeschwächt. Die noch vor ein paar Jahren verbreiteten, äußerst optimistischen Prognosen gelten heute als Makulatur. Den Betriebsbeginn in Wilhelmshaven hat der Hafenbetreiber Eurogate daher schon um fast ein Jahr verschoben. Und auch jetzt hat sich lediglich der Hafenmitgesellschafter Maersk verpflichtet, mit einem Schiff pro Woche Wilhelmshaven anzulaufen.
Dass der Tiefwasserhafen langfristig schon wegen der immer größeren Schiffe mit immer größerem Tiefgang dennoch seine Chance bekommt, gilt dagegen als sicher. In Hannover hat man bereits die Pläne für eine zweite Ausbaustufe fertig in der Schublade. Angesichts des ständigen Zeitdrucks in der Containerschifffahrt spricht noch ein Argument für Wilhelmshaven: Die Fahrt zur Kaje beträgt 23 Seemeilen, nach Hamburg sind es 78. Experten halten dem Jade-Weser-Port außerdem den Anschluss an die Autobahn 29 als Wettbewerbsvorteil zu gute. Auf der anderen Seite muss die Schienenanbindung erst noch ausgebaut werden. Zudem fehlt auch die Anbindung an das Binnenwasserstraßennetz.